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R wird L und Stereotype verschwinden

Mike Lennon, Mike Clelici, Duc Loc Michael Vuong oder ganz einfach: Der erste Vertreter des «Asian Rap», wie er seinen Musikstil selber

nennt, in Italien. Seine EP, die im April dieses Jahres erschienen ist, zeigt dass «Asian Rap» auf dem besten Weg ist, sich in Italien zu etablieren.


Von Parma nach Mailand

Der Erfolg, der nun Mike Lennon zu überrollen scheint, kommt allerdings von weit her: Aus Parma. Eine Stadt, die vor allem für den Käse und den Schinken wortwörtlich in aller Munde ist, nicht unbedingt aber wegen der Musik. Dies hindert Mike nicht daran, sich bereits früh mit Rap auseinanderzusetzen: Er baut in seiner Garage ein Studio und beginnt dort Beats zu produzieren. Ganze acht Jahre bleibt er in diesem selbstgebauten Studio in seiner Garage und übt sich im Beats-Produzieren. Bis zu diesem Zeitpunkt ist Mike Lennon allerdings noch ein unbekannter Name: Die Musik ist noch ein Hobby und er arbeitet unter anderem in einer Grissini-Fabrik und als Zeitungsverkäufer. Über diese Zeit spricht er auf dem Lied «Aligató», das aber erst Jahre später erscheint. Aus der Zeit, als er noch in einem Zeitungsladen arbeiten musste, gibt es keine Tracks im Netz, der Erfolg war noch weit entfernt.


Dies ändert sich, als er nach Mailand zieht, um in der norditalienischen Metropole zu studieren. Der Anfang ist allerdings auch in der Grossstadt schwer: Mike beginnt erste Lieder auf Englisch aufzunehmen und veröffentlicht, neben verschiedenen Videos, auch ein Mixtape. Sein grosser Traum ist, wie er in verschiedenen Interviews erklärt, in die USA zu ziehen, um dort Musik zu machen. Deshalb seien Texte auf Englisch für ihn eine Notwendigkeit gewesen. Der Erfolg bleibt allerdings aus.


«R» wird zu «L»

So beginnt Mike seine Texte auf Italienisch zu schreiben. Da Mailand als Hauptstadt des italienischen Raps gilt und unzählige Rapper um Aufmerksamkeit kämpfen, muss sich Mike etwas einfallen lassen, um in der Masse nicht unterzugehen. Dies tut er, indem er mit den Stereotypen über Asiaten spielt. So ersetzt er in seinen Texten den Buchstaben «R» mit einem «L» und spricht absichtlich mit falscher Satzstellung.


Ausserdem will er sich somit bewusst als asiatisch-italienischen Rapper inszenieren. Dies soll helfen, Stereotype über Asiaten in Italien abzubauen: Nach Mike Lennon hätten Leute in Italien oft das Bild eines unermüdlichen, fleissigen aber oft fantasielosen Arbeiters, wenn sie an Asiaten denken. Mit seiner Musik will Mike Lennon zeigen, dass Asiaten durchaus in der Lage sind, kreativ zu sein und Rap zu machen. Die Message ist: «Rap hat keine Hautfarbe und keine Sprache» (Übersetzung des Verfassers).


Vertrag und EP

Dieses Konzept setzt Mike Lennon zum ersten Mal in seiner Single «Konichiwa» um. Das Lied veröffentlicht er im Juni 2018 und es wird gleich zu seinem ersten Song, der auf Erfolg stösst. Einige Wochen später kommt er in Kontakt mit dem Labelchef von «Carosello Records», der ihm einen Vertrag anbietet. Diesen unterschreibt Mike Lennon und wird so zu einem weiteren Rapper im Roaster von «Carosello Records», neben grosse Namen des italienischen Raps, wie etwa Emis Killa, Ghemon oder Coez. Auf dem Label erscheint am 02. April 2019 seine erste EP mit dem Namen «Asian». Es handelt sich dabei um sieben Tracks, die zum Teil vom Producer Renzo Stone produziert sind. Zu den Songs «Aligató», «Shumai» und «Gengis Khan» veröffentlicht Mike ausserdem ein Video.



Mit dieser EP wird er einem grösseren Publikum bekannt und wird für das «MI AMI Festival» in Mailand gebucht. Es handelt sich dabei um ein Festival, das seinen Schwerpunkt auf italienische Indipendent-Künstler setzt. Auch der kommerzielle Erfolg ist nicht mehr weit weg: Bereits Mitte Juli war die Single «Ghengis Khan» in der «MTV Italia Rap, Trap, Hip Hop, R&B Top 10».


Was jetzt?

Der nächste Schritt für Mike Lennon wird ein Album sein. Dies bestätigte er kürzlich in einem Interview. Im selben Interview verriet er auch, dass «ihr einige Tracks des Albums bereits gehört habt» (Übersetzung des Verfassers). Damit scheint er auf das Lied «Talocco» (was soviel bedeutet wie «Gefälscht» oder «Fake») anzuspielen, das kürzlich mit einem Video erschienen ist.


Im Song geht er auf die Vorurteile ein, Asiaten würden sich mit gefälschten Markenartikeln kleiden und nur im Nachmachen von bereits existierenden Brands gut sein. Zum Lied passend, endet das Video mit folgendem Zitat:


«Occidendatli pensa che noi infelioli, stupidi e ignolanti. Occidentali pensa che noi semple vendele e vestile talocco pelchè noi no capace di cleale. Anche io è plova che non siamo secondi a nessuno e che cleatività non c’entla con tuo plovenzienza.»


Auf Deutsch:

«Menschen im Westen denken, dass wir Asiaten minderwertig, dumm und ungebildet sind. Menschen im Westen denken, dass wir immer gefälschte Ware verkaufen und gefälschte Kleider anziehen, weil wir nicht fähig sind, etwas Eigenes zu entwickeln. Auch ich bin der Beweis, dass wir so gut wie alle anderen sind und dass Kreativität nichts mit Herkunft zu tun hat.»


Der Song zeigt, dass Mike Lennon noch viel zu sagen hat und fest entschlossen ist, «Asian Rap» in Italien zu einem festen Begriff zu machen.




 

Meinungsecke

Bis hierhin hat Mike Lennon vieles richtig gemacht. Die Frage wird nun sein, ob er seine Musik weiterentwickeln kann, oder das Album alles wiederholen wird, was in der EP «Asian» gut geklappt hat. «Talocco» scheint vom Beat her düsterer zu sein, als das meiste Material auf der EP. Auch der Text ist ernster, als seine früheren Tracks auf Italienisch.


Es wird auch interessant sein, wie stark sein neues Label seine Arbeit beeinflussen wird, besonders in Hinblick auf mögliche Zusammenarbeiten. «Asian» erschien bereits für «Carosello Records» und hat keine Featurings. Das Roaster des Labels würde aber eigentlich verschiedene Möglichkeiten für Featurings innerhalb des Labels bieten.


Zu erwarten ist ein Featuring mit dem Rapper G.Bit, obwohl dieser nicht beim selben Label unter Vertrag steht: Die beiden haben schon den Track «Faccio quello che voglio» aufgenommen für das Album von G.Bit. Ausserdem gibt es einen Remix von «Konichiwa», der von G.Bit veröffentlicht wurde. Weiter kennen sich die beiden Rapper und sind oft gemeinsam zu sehen, auf Youtube oder Instagram. Gäbe es kein Featuring, würde dies eher überraschen.

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